Stellungnahme zum Namen der Tübinger Universität: Integration von Geschichte statt Verdrängung
Das Gutachten der Universität zeigt auch die Ambivalenz der beiden Namensgeber:
Graf Eberhard V. von Württemberg (Eberhard im Bart) gründete als erster Graf überhaupt eine Universität. Er stellte sich damit selbst in eine Reihe mit weit höherrangigen Adligen, wie dem Kaiser. Graf Eberhard legte hohen Wert auf eine gute Verwaltung und gute Bildung. Dennoch war er entsprechend des damaligen Zeitgeistes Antijudaist. Wir Christdemokraten stellen uns ausdrücklich gegen jedweden Antijudaismus oder Antisemitismus – egal von welcher Seite. Dennoch sollte Graf Eberhard im Kontext seiner Zeit betrachtet werden. Die Devise darf daher nicht das „canceln“ von Historie sein, sondern vielmehr eine kritische Auseinandersetzung und die Aufklärung für die Nachwelt.
Herzog Karl Eugen von Württemberg wirkte als Herzog von Württemberg in der Höhe des Absolutismus ebenso in dem antijudaistischen Erbe von Eberhard im Bart fort. Er war einer der größten Förderer der Universität und stellte ihre Existenz sicher – auch zulasten anderer Universitäten. Neben dieser Förderung regierte er als Katholik eine lutherische Bevölkerung in einem Herzogtum im Spannungsfeld zwischen Preußen und Österreich. Beide Großmächte wirkten auf ihn ein. Sein Stil mit dieser Gemengelage umzugehen, gilt daher als despotisch und autokratisch. Dieser Stil entsprach seiner Zeit und war keineswegs nur bei Herzog Karl Eugen zu finden. Wir lehnen einen despotischen und autokratischen Regierungsstil als Christdemokraten deutlich ab und stehen fest hinter unserer heutigen Demokratie.
Mit ihrem derzeitigen Namen steht die Tübinger Universität in langer Tradition auch mit dem Land Baden-Württemberg und genießt national wie international, vor allem in den Fachbereichen Theologie, Medizin, Rechts- und Geisteswissenschaften, eine hohe akademische Reputation und ist als solche auch heute noch Exzellenzuniversität. Zahlreiche Preisträger stammen von unserer Universität und zahlreiche Entdeckungen wie die des Nukleins. Ohne ihre Gründer und Namensgeber sowie deren Hang zur Bildung hätte es viele Erfindungen, Entdeckungen und wissenschaftliche Theorien vermutlich nicht gegeben.
Wir lehnen daher eine Umbenennung der Eberhard-Karls-Universität entschieden ab und fordern das Beibehalten der langen Universitätstradition – benannt nach ihren ursprünglichen Gründern. Die Namensgeber sollen entsprechend ihres historischen Kontextes betrachtet und sich mit ihnen kritisch, aber doch angemessen auseinandergesetzt werden. Wir unterstützen die in dem universitären Gutachten genannten Vorschläge der intensiven und differenzierten Aufarbeitung in der Wissenschaft durch universitäre Forschung und Lehre zur Universitätsgeschichte und der jüdischen Geschichte in der Region sowie Diskussionen, Fachartikel und Vortragsreihen zu dem Thema. „Cancel Culture“ ist der falsche Weg. Nur Aufklärung kann verhindern, dass sich die Geschichte mit ihren Fehlern wiederholt.